Michael Fischer, 2 Spiele – 2 Siege, da ist doch alles in bester Ordnung?
2
Siege – ja. Aber wie immer gibt es die Hintergründe zu beleuchten die da
nicht ein so klares Bild ergeben wie die nackte Zahl vermuten lässt. Im
ersten Spiel schossen die Französinnen mehr auf unser Tor als wir auf das
ihre und trotzdem vermochten wir zu Null zu gewinnen. Im zweiten Spiel war
es dann umgekehrt und wir schossen rund dreimal mehr auf ihr Tor und
trotzdem gewannen wir nur 3:1. Auch gemessen an den erarbeiteten Chancen
und derer Klarheit braucht sich Frankreich nicht zu verstecken. Und
gemessen daran welchen Aufwand die Franzosen zur Zeit betreiben mit einer
Woche Zusammenzug pro Monat, dann schmeichelt uns das Resultat sogar
etwas, hatten wir doch ein anderes Kader dabei als noch in Turin.
Wie hast du die Zeit in Courchevel erlebt?
Es
war zugegeben etwas seltsam in einem Wintersportort zu sein, wenn keine
Saison ist. Dort oben auf über 1800 Metern über Meer war praktisch keine
Menschenseele ausser wir und einige Angestellte. Kein Geschäft hatte offen
– nichts. Aber wir waren ja zum Hockeyspielen da und das haben wir dann
auch genossen. Alles in allem war es o.k. so.
Für den
Leser, kannst du kurz den Spielverlauf beschreiben?
Spiel 1: wie gesagt, wir hatten ein leicht negatives Schussverhältnis,
aber auch klar die bessere Torhüterin und die bessere Abstimmung
insgesamt. Trotz schlechter Distanzen unserer Defensivaufstellung und
einigen Abschlüssen aus dem Slot mauerte Flo Schelling das Tor
richtiggehend zu. Uns gelang im Gegenzug eine effiziente Chancenauswertung
und Emilie Berlinguette, eine der Debütantinnen schoss im Mitteldrittel 3
Tore innert 3 Minuten. Rekordverdächtig und schliesslich die Entscheidung
in diesem Spiel aus unserer Sicht.
Spiel 2: Nach einer Videoanalyse des ersten Spiels nur eine Stunde nach
Abpfiff konnten wir den Spielerinnen einige Mängel aufzeigen, die am
anderen Tag behoben sein mussten, wollten wir weiter Erfolg. Zudem drei
Umstellungen und ein Torhüterwechsel fürs „Ausprobieren“ und die Sache
lief rund. Viele Abschlüsse, schöne Angriffe und eine sattelfestere
Defense als noch am Vortag liessen keinen Zweifel am Ausgang der Partie.
Aber, wie angekündigt verspielten wir eine Menge Chancen aufgrund
schlechter Konsequenz im Abschluss, was dazu führte, dass zwischenzeitlich
Frankreich auf 1:1 ausglich und die Partie wieder öffnete. Ein Traumtor
der Linie Marty – Bruggmann – Berlinguette leitete aber doch noch den
verdienten Sieg ein.
Was ist
zu den Franzosen zu sagen?
Ihr Programm ist super. Sie haben eine Woche Zusammenzug pro Monat in
Courchevel und viel Zeit, ihr junges Team auf Kurs „2008“, ihr Ziel des
Aufstiegs in den A-Pool und zentral die Olympiaquali zu bringen. Dazu
haben sie grosse Anstrengungen unternommen und werden 2008 für mich der
Geheimtipp sein.
Welche
Stärken haben sie?
In
den letzten Jahren haben sich unter der Ära der alten Garde von
Cérgy-Pontoise einige grosse Talente entwickelt, die in 2 Jahren eine
weitaus tragendere Rolle spielen werden, als vielleicht heute noch. Sie
sind läuferisch und technisch stark und werden das Manko der
Spielerfahrung und Übersicht bis dann wettgemacht haben.
Welche
Schwächen?
Sie können Feldüberlegenheit noch nicht in Siege ummünzen – noch nicht –
und allenfalls sind es gewisse Details, die erst kommen, wenn man mal die
Erfahrung eines grossen Turniers und grosser Gegner gemacht hat. Spiele
wie gegen Russland oder Deutschland würden ihnen sicher gut tun um weiter
an sich zu arbeiten. Das geht ihnen noch ab im Moment
In
welche Richtung geht ihr Programm (noch Div 2)?
Ihr Ziel ist der Aufstieg in den A-Pool 2008 und dann im selben Herbst die
möglich Quali zu den olympischen Spielen in Vancouver. Das Beispiel
Schweiz hat ihnen wohl die Initialzündung gegeben. „Da wollen wir auch
hin!“ – wird es aus vieler Munde getönt haben. Und sie tun wirklich viel
dafür.
Einige
Spielerinnen hatten ihr 1. richtiges Länderspiel. Wie haben sich diese in
Szene gesetzt?
Ooh, es war schön, einige Spielerinnen zum ersten Mal an ein A-Länderspiel
aufzubieten. Einmal an der Luft zu schnuppern und unter noch wenig Druck
die Erfahrungen sammeln ist für mich Gold wert, davon können wir nur
profitieren. Das Erlebte können sie nun in die U18 zB mitnehmen für ihre
Spiele in der Slowakei und dann im Februar am grossen Turnier in Finnland.
Und sie haben es uns mit viel Einsatz und Freude gedankt. Aline Heiz zB
gelang im ersten Spiel gegen Frankreich gar ihr erstes Länderspieltor. O.k.
es war ihr zweites A-Länderspiel insgesamt, aber doch eine tolle Bilanz,
hatte sie doch noch zwei grosse Chancen in diesen beiden Spielen.
Ganz global, was möchtest du ihnen mit auf den Weg geben?
Wir haben zweifellos Nachwuchs. Der ist talentiert und willig. Wir müssen
aber für sie unbedingt das passende Umfeld schaffen, damit sie sich
international und national optimal entwickeln können. Und am Schluss muss
die Spielerin natürlich auch den Preis bezahlen wollen, den Sprung zu
schaffen. Und das bedeutet Schweiss, Entbehrungen, Tränen und viel
Disziplin.
Und da war noch Emilie Berlinguette, eine Schweiz-kanadische
Doppelbürgerin, welche jetzt 2 Jahre warten muss, bevor sie an offiziellen
IIHF-Turnieren für uns spielen könnte. Sie hat sich entschieden, diese
Frist gemäss den Regeln des IIHF zu warten und zu nutzen um diesen Sprung
zu schaffen. Dieser Gedanke allein verdient schon Hochachtung denn in
dieser Zeit darf sie in Kanada für keine Klub spielen. Und für eine
Kanadierin ist das hartes Brot. Aber sie hat ihre Ambitionen im Camp
angemeldet und gleich im ersten offiziellen Länderspiel drei Tore erzielt.
Notabene innert drei Minuten…
Auf der
anderen Seite feierte Ruth Künzle ihr 200. Länderspiel? Welcher Gedanke
schiesst dir dazu durch den Kopf?
Unglaublich, da können wir nur den Hut ziehen. Wer 200 Länderspiele hat
ist nicht nur eine aussergewöhnliche Spielerin, nein, sie ist auch ein
besonderer Mensch, der es verstehen muss durch viele Höhen und Tiefen mit
einem Team zu gehen und dabei den Spass und das Ziel nie zu verlieren. Mit
Ruth haben wir so eine aussergewöhnliche Spielerin, die schon mehr erlebt
hat, als wir zusammen. Und trotzdem gibt sie immer noch alles. Ich wünsche
ihr noch viele Spiele mit uns und uns allen viele solcher Spielerinnen,
die dieses Ereignis einmal feiern dürfen.
Wurdest du von einem Klubfunktionär zu den Länderspielen in FRA befragt?
Nein. Ich habe nur dem Team von Emilie Berlinguette eine SMS geschrieben,
wegen dem Effort im ersten Spiel.
Wenn
ja, was hat interessiert? Wenn nein, was glaubst du warum nicht?
Nun, es scheint ein breites Desinteresse an den Leistungen der
Spielerinnen in der Nati zu herrschen. Selten erkundigt sich ein
Ligatrainer danach. Aber das scheint offenbar auch nie ein Thema im Klub
selbst zu sein. Mehr kann ich dazu nicht antworten. Unser Türen sind offen.
Wir haben wieder viele Inputs mitgenommen zum Spiel, zur Technik, zur
Camporganisation und zu vielen Details, die es zu pflegen gilt. Und dass
die Chemie im Team stimmt. Trotz wenig Vorbereitung und vielen neuen
Gesichtern hat es von Anfang an harmoniert. Dabei waren die „Alten“ ebenso
Vorbild wie die Jungen diszipliniert. Es hat grossen Spass gemacht.
Wie
geht es weiter in der Saison? Wie viel Zeit bis zum nächsten Länderspiel
habt ihr, um am Spielverhalten zu feilen?
Zwischen Weihnachten und Neujahr sind wir in Russland und spielen dort
dreimal. Eine Supererfahrung und ein harter Gegner. Bis dahin allerdings
sehen wir das Team nicht mehr im Natidress. Somit sind viele Besuche in
den Ligaspielen angesagt um den Puls zu fühlen.Zeit um zu feilen –
Fehlanzeige J
Und
eure Gegner?
Nun, Frankreich hat wie gesagt einwöchige Camps einmal im Monat. Und
Profitrainer. Deutschland hat praktisch die gesamte Nationalmannschaft im
Profistatus, sei es in der Bundeswehr oder in Klubs in Übersee. Die
Schweden und Finnen unterhalten nebst einem grossen Nationalprogramm auch
Klubs, die bis zu 10mal in der Woche trainieren. Russland hat seine besten
Kräfte in drei Klubs in und um Moskau auch immer zur Hand und Kasachstan
und China halten sich eine Nati das ganze Jahr durch. Japan investiert
enorm viel nicht nur in ihre Nati sondern auch in die U18 und USA und
Kanada, ja da müssen wir uns nicht unterhalten. Im Feld der Besten 11
Nationen sind wir mit Abstand die, die am Wenigsten machen…
Aktuell
wird in Russland ein U 18 Turnier gespielt (Teilnehmer RUS; FIN; SWE;
GER). Was heisst das für die internationale Entwicklung im Fraueneishockey
im allgemeinen?
Die grossen Nationen spannen vermehrt zusammen und messen sich in
wiederkehrenden Turnieren untereinander. Das auf Level der A-Nati wie auch
bei den U18-Programmen. Unlängst wurde in Deutschland der fünfte
Stützpunkt für U18-Spielerinnen eröffnet wo unter Anleitung von
Nationaltrainern regelmässig gearbeitet wird. Japan hat ähnliche Projekte
und von den Top 4 Nationen wissen wir ja, was abgeht. Und auch Russland
ist auf den Zug aufgesprungen und investiert die nötigen Mittel um von
Anfang an bei den internationalen Vergleichen der U18-Teams dabei zu sein,
wie auch das aktuelle Turnier zeigt.
Für die CH?
Schaffen wir es nicht, diese Pace mitzugehen und uns an diesen Turnieren
„anzuhängen“ werden wir bald nur noch durch Zufall an Spiele gegen die Top
8 Nationen kommen, was sich über kurz oder lang rächen wird. Wollen wir
unser Fernziel, die Top 6 erreichen ist jetzt der Zug schon fast
abgefahren. Wir müssen mit U18 und A-Nati an „grosse“ Turniere und im
Gegenzug zu uns einladen, damit wir uns weiterhin an hohen Messlatten
vergleichen können und somit weiter kommen. Können wir „nur“ Spiele gegen
unterklassige Teams organisieren werden wir bald nicht mehr zum A-Pool
gehören. Und mit dem Nachwuchs ist es dann noch fataler, da sie schon mit
solch einem Rhythmus ins internationale Hockey hineinwachsen würden, was
später für die A-Natikarriere ein schwacher Start wäre.
Wir müssen jetzt handeln.
Besten
Dank für das aufschlussreiche Interview |